Absurd-komische Kurzfilmwelt

Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach

Von Josef Schnelle

Trailer zum Film

Eine Szene aus dem Film „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ (Neue Visionen Filmverleih / dpa)

Zwei deprimierend erfolglose Scherzartikelverkäufer, König Karl XII. im Café und über 20 weitere Protagonisten halten „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ zusammen. Einen Film, der sich schon mit seinem Titel gegen Konventionen wehrt – und mit dem Roy Andersson etwas Besonderes gelungen ist.

„Und dann hätten wir da noch den Klassiker. Der Lachsack kommt immer an. Der sorgt auf jeder privaten Feier oder auf Firmenfesten für gute Stimmung.“ – „Wir möchten den Menschen helfen, Spaß zu haben. Dann haben wir noch ein neues Produkt, von dem wir absolut überzeugt sind: Die Maske Gevatter Einsam.“

Wenn etwas diesen Film zusammenhält, dann sind es die beiden erfolglosen Vertreter für Lachsäcke, Vampirzähne und anderes Zeugs, die immer wieder wie Ritter der traurigen Gestalt auftauchen. Natürlich sind sie ebenso erfolglos wie komisch. Sie können ihre Waren nur selten loswerden, sie werden betrogen und verfolgt und sie liefern sich urkomische Beziehungsschlachten im Männerwohnheim, aus dem sie sicher wegen fehlender Mietzahlungen bald hinausgeworfen werden. Und doch haben sie die ganze Sympathie des Publikums. Niemanden würde es wundern, wenn in Roy Anderssons Figurenuniversum plötzlich Buster Keaton auftauchen würde – auch er ein genialer Komiker, der das Lächeln eingestellt hatte.

Schon der Titel „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ ist natürlich ein Albtraum für Verleiher, weswegen er meist abgekürzt wird. Roy Andersson gewann aber mit diesem Film in diesem Jahr den Goldenen Löwen des Filmfestivals von Venedig und gilt sowieso als Solitär unter den europäischen Filmemachern. Der schwedische Meisterregisseur hat ein eigenes Studio. Nur so kann er monatelang an den besten Einstellungen herumexperimentieren, die sehr langsam wirken und gerade deswegen vollgepackt sind mit philosophischen Bezügen und vielfältigen Verweisen auf die europäische Geistesgeschichte.

Anderssons Filme sind zutiefst pessimistische Bestandsaufnahmen des Zustands der Welt. Dieser neue Film ist sein Meisterwerk. Er hat ihm die Farben fast bis auf einen letzten Rest ausgetrieben. Dabei folgt er keiner erkennbaren Erzählung. Sein Film hat 20 bis 30 Hauptfiguren. In jeder Szene entfaltet sich die absurde Komik des Regisseurs also von Neuem. Auch die Zeiten vermischen sich. Düstere Albträume fügen sich ohne Vorwarnung in den Film ein.

Das Leben hat keinen Sinn

Vorangestellt sind dem eigentlichen Film, der auch danach nicht den Regeln des Erzählkinos folgt, drei Geschichten über den Tod. In einer davon verzweifelt ein Mann am Öffnen einer Weinflasche und stirbt ungehört von seiner gerade singenden Frau. Dann stehen die Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes in der Kantine um eine Leiche herum. Der Tote hat gerade noch etwas zu Essen bestellt. „Er hat noch bezahlt.“ sagt die Kellnerin in die allgemeine Ratlosigkeit hinein. Dritte Geschichte vom Tod. Das Krankenzimmer einer offenbar Sterbenden, die sich mit letzter Kraft an eine Tasche klammert. Um sie herum ihre Verwandten, die sich doch nur für Diesseitiges interessieren, zum Beispiel für deren Tasche.

„Ich weiß, dass Du in den Himmel kommst, Mama. Du bist dein Leben lang lieb gewesen, genauso wie Papa. Er ist schon dort und wartet auf Dich, aber er durfte sie nicht mitnehmen – seine goldene Uhr.“ (Schrei) „Da siehst Du´s selbst.“

Man könnte den Film als eine Sammlung von Kurzfilmen bezeichnen, die nichts miteinander zu tun haben. Doch Roy Andersson gelingt es dann doch, seine Zuschauer in die absurd-komische Welt seiner Kinomagie vollständig hineinzuziehen. Der unglückliche König Karl XII. von Schweden aus dem 12. Jahrhundert reitet zum Beispiel mit seinen Truppen in ein modernes Café ein, um sich ein Wasser zu bestellen. Den attraktiven Kellner nimmt er gleich mit auf den Feldzug, der misslingen wird. Wenig später quälen sich die geschlagenen Truppen an den Panoramafenstern der Kneipe vorbei. Zwischen den Großen und dem Kleinen, den politischen Hauptfiguren auf dem Pferd und den Helden des Alltags auf dem Barhocker herrscht eigentlich kein Unterschied.

In Roy Anderssons absurder Märchenwelt ist nur Eines sicher: Das Leben hat keinen Sinn und die Menschen beißen sich daran die Zähne aus. Daran liegt es wohl auch, dass man bei seinem Film so oft an Buster Keaton denken muss. Zum Beispiel bei der Szene in einer Kneipe, in der die Wirtin allen Anwesenden einen verbilligten Schnaps ausgibt. Wenn die Matrosen dann singen, sie hätten gar kein Geld, dann können sie für den Schnaps mit einen Kuss bezahlen. Schnell bildet sich eine Schlange.