Der französische Laizismus: Ein Erklärungsversuch

Zu den französischen republikanischen Werten gehören neben der Demokratie auch der Laizismus (laïcité) und dies unterscheidet im Wesentlichen Frankreich von Deutschland, da es in der Bundesrepublik keine strikte Trennung von Staat und Kirche gibt. Der französische Laizismus erkennt die Religionsfreiheit wie Deutschland auch – allerdings mit dem Unterschied, dass in Frankreich die Religion reine Privatsache ist und somit gehört die Religionszugehörigkeit nicht zu den offiziellen Personendaten, um jegliche Diskriminierung zu vermeiden.

In den letzten Monaten wird hitzig über den Islam und die Vollverschleierung (Burka / Burkini) debattiert und der Umgang der Franzosen hiermit wird in den deutschen Medien heftig kritisiert – in vielen Fällen aus Unkenntnis der französischen Verhältnisse. Kopftuchverbot an den Schulen, generelles Burkaverbot und vereinzelte Burkiniverbote an den Stränden haben nichts mit Rassismus zu tun, denn es geht nicht um die Herkunft der betroffenen Frauen, sondern um die Zurschaustellung ihrer Religion, die im Widerspruch zu den laizistischen Grundsätzen steht. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Muslimische Französinnen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, sind ebenso betroffen wie Ausländerinnen. Wenn die deutsche Integrationsbeauftragte behauptet, dass der ‘radikale Laizismus’ in Frankreich die Persönlichkeit der Muslime verletzt, dann hat sie das Prinzip nicht verstanden oder verstehen wollen. Der Laizismus ist nicht radikal, er wird lediglich durchgesetzt (in Frankreich) oder eben nicht (in Deutschland). Und wer seine Religion nach außen trägt, sei es durch Symbole oder durch religionskonforme Bekleidung (Burka, Burkini), verletzt die laizistischen Grundsätze und beeinträchtigt das friedliche Zusammenleben. Die anderen Religionsgemeinschaften sowie ein Teil der Muslime akzeptieren diesen Konsens. Ein weiterer Teil der Muslime aber stellt sich dagegen und zwar nicht mithilfe von offenen Gesprächen, sondern in Form von Forderungen, die die Mehrheitsgesellschaft überfordern und das friedliche Zusammenleben bedrohen. Integration heißt nämlich die Eingliederung in die bestehende kulturelle Einheit und nicht die Anpassung der Mehrheitsgesellschaft an eine bestimmte religiöse Gruppe.

In Deutschland ist die Lage etwas komplexer, da eine Verdrängung des Islam aus dem öffentlichen Raum auch einen Rückzug des Christentum aus der Öffentlichkeit und eine Bekennung zum Laizismus (mit strikter Trennung von Staat und Kirche) mit sich ziehen sollte. Es ist offensichtlich, dass viele hierzulande kein Interesse daran haben, nicht einmal die AfD, die sich auch gerne auf die christlichen Werte beruft. Die Agnostiker und Atheisten würden es sicherlich begrüßen, aber sie sind nicht vertreten, obwohl wenn der Atheismus eine Religion wäre, wäre es vielleicht (es gibt in Deutschland keine relevanten Daten zum Atheismus) die größte Religionsgemeinschaft. Es könnte doch so sein, dass die deutsche Toleranz gegenüber dem Islam auch dazu dient, die eigene Religion zu schützen.

Da die Religionsfreiheit der einen nicht die Freiheit der anderen – wie z.B. die Freiheit ohne Religion zu leben oder die Satirefreiheit – einschränken sollte, spricht eigentlich nichts gegen diese Verbote. Schließlich kann die Religion auch diskret ausgeübt werden (so tun es auch viele) aber vielleicht würde sie dann auch an Reiz verlieren, denn religiöse Eiferer brauchen ein breites Publikum. Das gegenwärtige Problem ist aber, dass die breite Mehrheit nicht mehr zuschauen will.

ITT, 08.09.2016