Grenzen auf oder dicht?

Der Zugewinn von rechtskonservativen populistischen Strömungen stellt eine Abkehr eines liberalen Individualismus dar, der eingebettet ist in ein demokratisches Gefüge, welches für die Grundsätze einer offenen Gesellschaft eintritt. Durch den Umstand, dass diese Kräfte an Einfluss gewinnen und ein ähnlich geartetes faschistoides Gedankengut diese Ängste durch Terror noch zusätzlich anheizt, wird man sich diesen Problemen stellen müssen.

Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, den man nicht lösen kann, indem man Themen, Probleme reduziert, verharmlost, verschweigt oder leugnet. Dieses politische Vorgehen birgt die Gefahr, dass die vorhandenen und kommenden Probleme nicht zeitgerecht angegangen, geschweige denn gelöst werden, obwohl wir davon ausgehen können, dass weitere Generationen davon betroffen sein werden. Diese Weichen müssen jetzt gestellt werden, um der Verantwortung gerecht werden zu können und die Bürde, die den nachfolgenden Generationen auferlegt wird, zu minimieren.

In diesem Kontext sind wirtschaftliche und soziale Veränderungen im Auge zu behalten, die sich auf die Sozialsysteme, Wirtschaft, Ökonomie und Arbeitsmarkt auswirken, denn die Ressourcen sind begrenzt. Eine steigende Anzahl von Arbeitslosen und Harz 4 Empfänger führen zu einer Verarmung und Verelendung der Lebenssituation von Bürgern und Flüchtlingen, die aufgrund ihrer Bildung und Qualifikation keine Change haben Arbeit zu finden.

Durch den massiven Fortschritt der Informationstechnologien in den Bereichen Logistik, Automatisierung, Cloud Computing und Künstliche Intelligenz (KI) werden mehr Arbeitsplätze in der EU vernichtet als neue geschaffen. Die Politik hält zwar noch an den post-industriellen Mechanismen der Vollbeschäftigung fest, diese sind aber schon jetzt obsolet. Es bedarf einer Anpassung der bestehenden Einnahme-Quellen und Ausgaben des Staates, sowie angepasste Methoden und Regularien für die Finanzierung über Steuern und deren Verteilung, um das bestehende Gesellschaftsmodell zu reformieren und die Funktionsfähigkeit von sozialen Institutionen aufrecht zu erhalten, ohne das es zu extremen Verschiebungen innerhalb der Gesellschaft kommt. Die sich daraus entwickelnden Konflikte sollten im Vorfeld situationsgerecht minimiert und später eliminiert werden. „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt“ (Karl Marx).

Unserer Gesellschaft liegt eine soziale Struktur zugrunde, die den Vorstellungen und Handlungen einzelner Akteuren entspricht und sich dabei auf allgemein anerkannte demokratische, freiheitliche Grundsätze beruft.

Nach dem aristotelischen Postulat, das Ganze sei stets mehr als die Summe seiner Teile, sollen die Merkmale und die Eigenschaften des Verhaltens eines Individuums in dem gesellschaftlichen Zusammenhang beleuchtet werden.

Die Handlung der Einzelnen hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschaft. Der Ausgangspunkt dieser Betrachtung bezieht sich auf die soziale Ordnung sowie auf die sozialen Gravitationskräfte und Spannungsverhältnisse, die sich aus der jetzigen Krisensituation ergeben. Dass Menschen aus bestimmten Regionen flüchten und ihre Heimat verlassen, ist verständlich. Die Frage zu den Umständen, die dazu führen, wird leider nur unzureichend betrachtet und basiert auf strategischen Interessenkonflikten verschiedener Staaten sowie daraus resultierenden Spannungsfeldern sowie durch unterschiedliche und verfeindete Glaubensrichtungen des Islams.

Diese haben einen unmittelbaren Einfluss auf die sozialen Prozesse und Institutionen in Europa und unterliegen Eigeninteressen, die gesellschaftliche Veränderungen bewirken, dabei alle Bürger in der EU betreffen aber insbesondere Deutschland durch den voreiligen unüberlegten und vor allem nicht abgestimmten Beschluss der Bundeskanzlerin.

Die idealistische Forderung, jedem Zuwanderer Zuflucht zu gewähren, wurde im zweiten Halbjahr 2015 mit der Anpassung des Asylgrundrechts (Art. 16a GG) der neuen Situation angepasst, um die Einführung von Obergrenzen und Kontingentierungen rechtlich zu ermöglichen.

Darüber hinaus sind vorhandene politische, wirtschaftliche Maßnahmen in Frage zu stellen. Eine weitere Anpassung wird notwendig sein, um zusätzliche Maßnahmen zu definieren, wie die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge erfolgen kann und wie Terrorabwehr und Gewaltprävention gewährleistet werden können.

Es sind zudem Wege zu finden, um die Einschränkungen von Bürgerrechten, Diskriminierung und eine stärkere Überwachung der Bürger zu vermeiden. Wenn Terror das Ziel hat, demokratische und freiheitliche Gesellschaften zu zerstören oder Zersetzungsprozesse innerhalb der Gesellschaft in Gang zu setzen, welche zur Diskriminierung und Ausgrenzung führen, sind wir und unsere politischen Vertreter in der Verantwortung, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, dies zu verhindern.

Für eine Übergangszeit der Gefahrenabwehr ist es denkbar, dass sich die Bürger in der EU mit dieser angespannten Situation abfinden und auch Verständnis für diese Maßnahmen aufbringen, aber es ist darauf zu achten, dass sich diese Maßnahmen und Prozesse nicht verselbständigen. Wir wollen auf keinen Fall, dass unsere demokratische offene Gesellschaft und die Meinungsfreiheit schrittweise oder dauerhaft eingeschränkt werden. Gründe für Verschärfungen werden wie zu erwarten zuhauf von Populisten angeführt, gerade weil wir davon ausgehen können, dass die Konflikte und der Terror nicht der Vergangenheit angehören werden. Die Besorgnisse der Bürger müssen ernstgenommen und von den politischen Vertretern der Demokratie aufgenommen, diskutiert und gemeinsam beschlossen werden. Probleme betreffen alle und nicht nur die, die im Alleingang weitreichende Entscheidungen treffen.

Das, was wir heute erleben, wird erst der Anfang sein, Stichwort Klimaveränderung. Wenn Menschen in ihrer Heimat nicht mehr leben können, werden sie gezwungen auszuwandern bzw. zu flüchten, um einen anderen Platz zum Leben zu finden. Wenn diese Situation eskaliert, wird es zu neuen Verteilungskriegen kommen, da diese Menschen nichts mehr zu verlieren haben.

Unser individualistisches Modell einer offenen Gesellschaft hat seinen Ursprung in einem demokratischen Entwicklungsprozess. Kraftproben zwischen entgegengesetzten Gruppen, die einen allgemeinen Willen als Wegbereiter für den Totalitarismus einer offenen Gesellschaft bevorzugen. Das auserwählte Volk, monotheistische Religionen, Ideologien treten als Wegweiser in Erscheinung und haben gemein, kompromisslos den Einzelnen als austauschbares Rädchen in dem Apparat zu assimilieren oder bei nicht Befolgung zu degradieren oder vernichten.

Der freie Wille, der als menschlicher Faktor für die Entfaltung der Freiheit den Rahmen darstellt, wird darüber zersetzt, zerstört. Totalitäre Ideen sind eine wiederkehrende Reaktion und können als Rückfall betrachtet werden mit dem Ziel ein Gebilde, Staat, Diktatur zu errichten, welche auf Hierarchien und Unterordnung basieren und keinen persönlichen Entscheidungsspielraum, Meinungsfreiheit des Einzelnen zulassen.

Diese Gesellschaftsform ist eine geschlossene Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt über die Religion, Kultur, Rituale, Kollektiv, Ideologie, Tabus und Ausgrenzungen definiert und in dem sich das Individuum diesen Gesetzen, Konventionen und Dogmen unterzuordnen hat.

Das Zusammentreffen von totalitär geprägten Gesellschaftsformen mit einer freien säkularen, offenen Gesellschaftsform kann auch als Verlust verstanden werden, da eine demokratische, liberale Gesellschaftsform einen breiten Handlungsrahmen und unterschiedliche Lebensentwürfe akzeptiert, zulässt und keine Blaupause, Wegbeschreibung des Alltags bietet bis auf „Für uns ist die Gerechtigkeit eine Art von Gleichheit in der Behandlung von Individuen“ (Platon).

Die Funktionsfähigkeit von sozialen staatlichen Institutionen muss aus den begangenen Fehlern lernen und ein Herumbasteln vermeiden. Der Faktor Mensch kommt zu kurz, weil es eine utopische Forderung ist, Menschen so umzuformen, dass sie in die Gesellschaft passen. Dass Terror, Repression oder Nationalismus langfristig zu keinem Erhalt oder Weiterentwicklung solcher Gesellschaftsmodelle führten, zeigt die Geschichte.

„An die moralischen Gefühle der Menschen zu appellieren, statt sich in vergeblichen Versuchen aufzureiben, diese Gefühle zu verändern“ (Paretos).

Dieses Unterfangen stellt ein hoffnungsloses Unternehmen dar, wenn nicht der Ansatz verfolgt wird,„die menschlichen Willensimpulse so zu lenken, dass sie an den strategischen richtigen Punkten ansetzen und das Gesamtgeschehen in der erwünschten Richtung vorwärts treiben „ (Mannheim).

Es gilt dabei, dass das Gefühl einer individuellen Verantwortlichkeit nicht von Intuitionen, Gesetzen untergraben wird, da es die Grundlage unserer freien Gesellschaft ist.

Es geht um Ersthilfe, um die mögliche erdrückende Last der Eigenverantwortung als Befreiung und nicht als Last wahrzunehmen und den Menschen für die Ideale einer offenen demokratischen freien Gesellschaft zu gewinnen. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass wir uns alles gefallen lassen und tatenlos zusehen, wie die Freiheit und unser Gesellschaftsmodel zerstört werden. Auch in einer freien demokratischen Gesellschaftsform sind Grenzen zu setzen und ein destruktives Eigenleben/Verhalten zu verhindern, das den Versuch unternimmt, die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen, egal mit welchen Mitteln.

„Gott bewahre uns vor unseren Freunden [….] , es gibt nämlich [….] auch […] sogenannte Freunde, vor denen und ihren Schlingen man nicht genug auf der Hut sein kann“ (Kant).